Archiv für den Monat: Januar 2020

steuerlicher Zweck einer Wertermittlung

Das Bundesverfassungsgericht wird zunehmend gefordert, politische Entscheidungen herbeizuführen oder zu korrigieren, die von der Politik nicht gewollt sind. Einerseits zeichnet das einen Rechtsstaat aus, andererseits zeigt es die Schwachstellen der Politik. Der Gesetzgeber war durchaus selbst in der Lage zu erkennen, dass die Ermittlung des Grundbesitzwertes oder des Einheitswertes veraltet ist. Auf der Grundlage des Grundbesitzwertes wird die Grundsteuer und die Erbschafts- und Schenkungssteuer erhoben, sowie die Einkommenssteuer beeinflusst. In dem Spannungsfeld widerstrebender Interessen mussten vom Bundesverfassungsgericht die zuerst genannten Steuern für verfassungswidrig erklärt werden, weil deren Ermittlung gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstößt.
Was hat der Sachverständige für Wertermittlung damit zu tun? Nicht viel, nur dass er in der Lage ist, den Verkehrswert zu ermitteln. Der Verkehrswert ist der Marktwert einer Immobilie, also eines bebauten oder unbebauten Grundstücks. Nur der Verkehrs- oder Marktwert würde dem Gebot der Gleichbehandlung entsprechen. Nach der Steuerreform wurde auf der Grundlage der alten Grundstruktur neue Bewertungsregeln erarbeitet. D.h. das Bewertungsgesetz wurde neu gestaltet, nachdem der Grundbesitzwert ermittelt wird, der die Grundlage für die Erhebung der Grundsteuer, sowie der Erbschafts- und Schenkungssteuer bildet.
Nutzt ein Eigentümer einen Teil eines Gebäudes z.B. als Büro oder Werkstatt, gehört es zum Betriebsvermögen. Zum Zeitpunkt der Herstellung oder Anschaffung dieses Vermögens gelten dessen Kosten als Teil-, bzw. Einlagewert, welcher als Absetzung für Abnutzungen (AfA, Abschreibungen) im Rahmen der Einkommenssteuer steuerlich geltend gemacht werden kann. D.h. Betriebskosten mindern den Gewinn und damit die Einkommenssteuern. Wird ein betrieblich genutzter Grundstücksanteil nach Betriebsaufgabe wieder in Privatvermögen überführt, entsteht dagegen ein steuerpflichtiger Entnahmegewinn. Die AfA bezieht sich jedoch nur auf den Gebäudewertanteil ohne Bodenwert, da sich der Boden im Gegensatz zum Gebäude nicht abnutzt. Liegt ein Kaufpreis vor, muss dieser in Boden- und Gebäudeanteil aufgeteilt werden (Kaufpreisaufteilung). Das erfolgt lt. Rechtsprechung nicht durch die sog. Restwertmethode, nach der vom Kaufpreis der Bodenrichtwert abgezogen wird, sondern nach dem Verhältnis von Boden- und Gebäudewert in der Verkehrswertermittlung. Der Verkehrswert wird vorzugsweise aus dem Vergleichswertverfahren ermittelt, in dem jedoch keine Aufteilung in Boden- und Gebäudewert vorgenommen wird. Der im Ertragswertverfahren ermittelte Gebäudewertanteil steht wiederum in keinem Verhältnis zum Sachwert eines bebauten Grundstücks. D.h. in der Verkehrswertermittlung erfolgt die Ermittlung des Gebäudewertanteiles vorzugsweise im Sachwertverfahren. Weicht jedoch die Aufteilung der Anschaffungskosten im Sachwertverfahren wesentlich von der im Ertragswertverfahren ab, dann ist nach Rechtsprechung die Angemessenheit der im Sachwertverfahren ermittelten Werte zu prüfen. Die obersten Finanzbehörden stellen eine Arbeitshilfe zur Verfügung, die eine Kaufpreisaufteilung ermöglichen soll. Dabei wird das Verhältnis der pauschal ermittelten Einzelwerte auf den Kaufpreis übertragen. Bei diesem typisierten Verfahren handelt es sich jedoch auch nur um eine „qualifizierte Schätzung“ des Finanzamtes. Auch hier kann der Steuerzahler einen anderen Wert durch ein Sachverständigengutachten nachweisen.
Aufwendungen für vermietete Immobilien, wie Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten, sowie anschaffungsnahe Herstellungskosten, deren Netto-Aufwendungen 15% der Anschaffungskosten eines Gebäudes übersteigen, können ebenfalls im Rahmen der Einkommenssteuer geltend gemacht werden, d.h. sie werden über die Nutzungsdauer des Gebäudes abgeschrieben. Mit Ausnahme der Erhaltungsaufwendungen (Instandsetzungen,  Modernisierungen), die sofort als Werbungskosten von den Einnahmen abgezogen werden können.
Durch die Ermittlung des Grundbesitzwertes durch die Finanzämter nach „typisierte Verfahren“, sowie durch die Vereinfachung und Pauschalisierung ergeben sich ggf. Differenzen zwischen einem pauschal ermittelten Grundbesitzwert und einem marktgerecht ermittelten Verkehrswert. Obwohl es nach den Vorschriften lt. Bewertungsgesetz (Grundbesitzwert) und Immobilienwertverordnung (Verkehrswert) keinen Unterschied geben sollte, kann die Wertermittlung durch das Finanzamt von der eines Sachverständigen erheblich abweichen. Um Steuerzahler nicht zu benachteiligen, wird die Öffnungsklausel beibehalten, wonach ein Steuerzahler einen anderen Wert nachweisen kann. Voraussetzung für den Nachweis eines anderen Wertes ist eine Verkehrswertermittlung durch einen Sachverständigen für die Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke. Der Steuerpflichtige hat die Beweislast für den Nachweis eines anderen Wertes (Verkehrswertgutachten). Das Finanzamt hat die Beweislast, wenn es einen Verkehrswert nicht anerkennen will. Muss ein Finanzgericht einen Streitfall entscheiden, ist nicht die Qualifikation eines Sachverständigen ausschlaggebend, sondern die Qualität des Gutachtens.

In der qualifizierten Schätzung, bzw. bei der pauschalen Bewertung durch das Finanzamt sind die häufigsten Fehler *:
– Abweichungen des Bodenrichtwertes hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung.
– Mangelnde Berücksichtigung hoher Bodenrichtwerte bei Objekten mit geringem Gebäudeertrag.
– Ungenügende Berücksichtigung des baulichen Zustandes mangels Objektbesichtigung.
Die Wertermittlung durch einen Sachverständigen ist mit Kosten verbunden. Aber es besteht die Möglichkeit mehr Steuern einzusparen, als Honorarkosten entstehen. Diese Frage beantwortet der Sachverständige vor einem Gutachten mit einer Expertise (Kurzgutachten), dessen Kosten mit einem Gutachtenhonorar verrechnet wird. Auf jeden Fall beseitigt ein Gutachten aber Zweifel, ob durch die pauschale Ermittlung des Finanzamtes eine steuerliche Benachteiligung besteht.
Die hier gegebenen Hinweise zum steuerlichen Zweck der Verkehrswertermittlung ersetzt nicht die steuerliche Beratung durch einen Steuerberater.

Grundsteuer Reform

Da die Ermittlung des Einheitswertes veraltet ist und gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstößt, wurde die Erhebung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt (Urteil Bundesverfassungsgericht vom 10.4.2018) und der Bundesrat hat die Gesetzentwürfe zur Reform der Grundsteuer 11/2019 beschlossen. Entsprechend Grundsteuer-Reform soll die Grundsteuer sozial gerechter sein, d.h. sich am tatsächlichen Wert einer Immobile ausrichten. In die Berechnung der Grundsteuer sollen nur noch wenige, vergleichsweise einfach zu ermittelnde Parameter einfließen, wie: Grundstücksfläche, Bodenrichtwert, Gebäudeart, Baujahr und Wohnfläche. Wirksam wird die Reform aber erst nach einer Übergangsfrist ab 2025.
Bis dahin wird die Grundsteuer nach alten Regeln ermittelt und die neuen Bewertungsregeln im Detail erarbeitet.
Die Steuer wird nach der Reform wie bisher in 3 Stufen ermittelt: Grundbesitzwert (bisher Einheitswert) x Hebesatz x Messzahl. Der Grundbesitzwert wird wie bisher durch die Finanzämter ermittelt und Hebesatz und Messzahl wird von den Ländern festgesetzt. Das Steueraufkommen soll insgesamt etwa ausgeglichen (aufkommensneutral) bleiben, aber innerhalb der Grundstücksarten (bebaut, unbebaut, Wohnen, Gewerbe, Landwirtschaft) werden sich Verschiebungen ergeben. D.h. bei höherem Grundbesitzwert soll sich die Grundsteuer über Steuermesszahl für sozialen Wohnungsbau, kommunale Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften verringern, für Eigentumswohnungen in etwa ausgleichen und für Einfamilienhäuser erhöhen.
Auch das Bewertungs- und Grundsteuerrecht bleibt in seiner Grundstruktur erhalten. Um den Aufwand zu mindern, erfolgt die Ermittlung des Grundbesitzwertes durch die Finanzämter nach pauschalisierten Bewertungsmethoden. Dadurch ergeben sich unter Umständen Differenzen zwischen den pauschal ermittelten Grundbesitzwerten und den marktgerecht ermittelten Verkehrswerten. Um Steuerzahler nicht zu benachteiligen, wird wohl die Öffnungsklausel beibehalten, wonach ein Steuerzahler einen niedrigeren Wert nachweisen kann. Hinzu kommt eine weitere Ausnahme (Öffnungsklausel), nach der z.B. Bayern ein anderes pauschales Bewertungsverfahren zur Ermittlung des Grundbesitzwertes anwenden kann.  
Die Bewertung von Wohngrundstücken erfolgt einheitlich im Ertragswertverfahren. Um die Bewertung dieser enormen Anzahl an Grundstücken für alle Beteiligten administrierbar durchführen zu können, werden nicht die tatsächlich vereinbarten Erträge angesetzt, sondern durchschnittlich erzielte monatliche Nettokaltmieten je Quadratmeter Wohnfläche. Es handelt sich daher um ein typisiertes Ertragswertverfahren. Dabei werden zukünftige Erträge mit einem Liegenschaftszinssatz abgezinst, um den gegenwärtigen Ertrags- bzw. Grundbesitzwert zu ermitteln. Mathematisch dasselbe Ergebnis ergibt sich, wenn man den jährlichen Ertrag aus dem Grundstück über die Restnutzungsdauer des Gebäudes mit einem Faktor kapitalisiert und nach Ablauf der Restnutzungsdauer des Gebäudes den verbleibenden Wert des Grund und Bodens abzinst. Die anzusetzende Nettokaltmiete hängt von der Wohnungsgröße und dem Baujahr des Gebäudes sowie vom jeweiligen Bundesland ab, und wird durch sogenannte Mietniveaustufen gemeindebezogen verringert oder erhöht. Je niedriger die Mietniveaustufe, desto geringer ist die anzusetzende Nettokaltmiete einer Gemeinde. Die Nettokaltmieten für das jeweilige Land werden vom BMF aus Daten des Statistischen Bundesamts über Durchschnittsmieten in allen 16 Ländern abgeleitet. Die Einordnung der Gemeinden in Mietniveaustufen wird vom BMF auf Basis der Wohngeldverordnung vorgenommen. Der Wert des Grund und Bodens wird zunächst wie bei einem unbebauten Grundstück – also aus Bodenrichtwert und Grundstücksfläche – ermittelt. Anschließend wird dieser Wert über die Restnutzungsdauer des Gebäudes mit einem Faktor abgezinst.
Die Bewertung der Nichtwohngrundstücke erfolgt einheitlich im Sachwertverfahren, da für diese Grundstücke keine Nettokaltmieten vorhanden sind. Bei dem Sachwertverfahren für die Grundsteuer handelt es sich ebenfalls um ein typisiertes Verfahren. Das heißt, es werden nicht die individuellen Herstellungs- oder Anschaffungskosten für ein Grundstück angesetzt, sondern einerseits durchschnittliche Herstellungskosten für das Gebäude abhängig von der Gebäudeart abzüglich Alterswertminderung und andererseits durchschnittliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden durch Ansatz der Bodenrichtwerte wie bei unbebauten Grundstücken. Die Summe der Werte für das Gebäude und den Grund und Boden wird mit einer Wertzahl an die allgemeinen Wertverhältnisse am Grundstücksmarkt angepasst und ergibt den Grundsteuerwert im typisierten Sachwertverfahren.
Der jeweils typisierende Ansatz bei der Bewertung des Grundbesitzes führt zu einer erheblichen Vereinfachung des Bewertungsverfahrens und ermöglicht eine automationsunterstützte Bewertung. Da es bei dem vereinfachten, pauschalen Verfahren auch zur Ermittlung von Werten kommen kann, die sich nicht am Marktwert orientieren, hat der Steuerzahler zur Vermeidung von überhöhten Steuerzahlungen weiterhin die Möglichkeit, einen Verkehrswert von einem Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken ermitteln zu lassen. Gerade in Ländern, in denen das Flächenmodell angewendet werden soll (wie z.B. in Bayern), kann die Reform zu Ergebnissen führen, die weiterhin ungerecht sind.
Insbesondere in Ballungsgebieten besteht ein erheblicher Wohnungsmangel. Die damit verbundene Entwicklung der Werte der Grundstücke wird von Eigentümern vermehrt dazu genutzt, baureife Grundstücke als Spekulationsobjekte zu halten. Grundstücke werden teilweise nur erworben, um eine Wertsteigerung abzuwarten und sie anschließend gewinnbringend zu veräußern. Diese Spekulation mit Bauland verhindert, dass dringend benötigter Wohnraum entsteht. Das Bundeskabinett hat daher beschlossen, rechtliche Grundlagen zu schaffen, die es den Gemeinden ermöglichen, die Baulandmobilisierung durch steuerliche Maßnahmen zu verbessern. Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung sollen Gemeinden künftig für baureife, aber unbebaute Grundstücke einen höheren Hebesatz festlegen können. Diese sogenannte Grundsteuer C verteuert damit die Spekulation und setzt finanzielle Anreize, auf baureifen Grundstücken tatsächlich Wohnraum zu schaffen.