Wie schon 1995 die Vermögenssteuer und 2014 die Erbschafts- und Schenkungsteuer, hat das Bundesverfassungsgericht nun auch die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Nicht weil die Besteuerung von Grundvermögen gegen die Verfassung verstößt, sondern deren Bewertung zu einer „umfassenden Ungleichbehandlung“ führt. Geklagt hatten Immobilienbesitzer gegen die Bundesregierung, die für den aufgestauten Reformbedarf verantwortlich ist. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert die Gesetze bis Ende 2019 zu reformieren und bis spätestens 2025 umzusetzen. Da für etwa 35 Millionen bebaute und unbebaute Grundstücke etwa 14 Milliarden Euro im Jahr in die Kassen von Städten und Gemeinden fließen, hat das BVerfG die lange Übergangsphase zugelassen. Sonst würden die Kommunen rd. 2% ihrer Steuereinnahmen verlieren.
Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer ist der Einheitswert. Der sollte ursprünglich etwa alle 6 Jahre aktualisiert werden, was aber seit 1964 unterlassen wurde. Auf dem Gebiet der „neuen“ Bundeländer wurde der Einheitswert zuletzt 1935 festgestellt. Nur bei gravierenden Änderungen wurde der Einheitswert fortgeschrieben. D.h. die Höhe der Grundsteuer wird i.d.R. nach völlig veralteten (je nach Lage um bis zu 80% geringeren) Immobilienwerten ermittelt. Zu erheblichen Verzerrungen bei der Feststellung der Einheitswerte kommt es z.B. wenn Mauergrundstücke in Berlin noch nicht fortgeschrieben wurden, obwohl sie erheblich an Wert zugelegt haben.
Das BVerfG lässt dem Gesetzgeber Gestaltungsspielraum bei der Grundsteuerreform. Einig ist man sich nur, dass das Gesamtsteueraufkommen insgesamt unverändert erfolgen soll. Dazu dienen die bisherigen Stellschrauben, wie Grundsteuermesszahl und Hebesatz. Trotzdem kann es zu sehr unterschiedlichen und nicht sachgerechten Ermittlungen der jeweiligen Lagefinanzämter kommen. Bei der aufkommensneutralen Umwandlung der Grundsteuer sollen unbebaute Grundstücke und Einfamilienhäuser stärker belastet und Mehrfamilienhäuser und Geschosswohnungen entlastet werden.
Da der bürokratische Aufwand für die Reform sehr hoch ist, wird wie schon bei der Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer nach vereinfachten Bewertungsmethoden gesucht, die sich zumindest am Verkehrs- bzw. Marktwert orientieren. Sachverständige für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken werden bei der Umsetzung der Reform nicht beansprucht. Als „Staatliche Schätzer“, wie in den USA, fungieren hierzulande die Finanzämter, durch die die vereinfachte Bewertung erfolgt. Da vereinfachte Verfahren wiederum zu Ungleichbehandlung führen können, wird sicherlich die Öffnungsklausel beibehalten, nach der Steuerzahler auf ihre Kosten einen anderen als nach Bewertungsgesetz ermittelten Wert durch Gutachten nachweisen können.
Ein breites Bündnis aus verschiedenen Verbänden schlägt z.B. vor, die Grundsteuer in eine reine Bodenwertsteuer ohne Gebäude umzuwandeln, bei der nur die Bodenrichtwerte die Bemessungsgrundlage bilden. Wenn unbebaute Grundstücke höher belastet werden, rentiert sich auch nicht mehr die Spekulation mit nur dazu vorgehaltenen Grundstücken. Damit würde ein Anreiz geschaffen werden, diese der Bebauung zuzuführen und den Mangel an verfügbaren und bezahlbaren Wohnbauland abzubauen. Eine Bodenwertsteuer könnte zudem die Mietpreisentwicklung dämpfen. Gegen diesen Vorschlag spricht, dass ein unbebautes Grundstück genauso besteuert werden würde, wie ein mit einer Villa bebautes Grundstück. Ein anderes Kostenwertmodell soll als Bemessungsgrundlage den Gebäudewert (Herstellungskosten, Baujahr und Bauzustand), sowie den Bodenwert verwenden. Der Nachteil dieses Modells ist der damit verbundene Bürokratieaufwand. Ein drittes Modell stellt nur auf Grundstücks- und Gebäudeflächen ab. Das wäre einfach umzusetzen, beteiligt die Kommunen aber nicht an den Bodenwertsteigerungen, die durch öffentliche Leistungen entstehen.
Da Eigentümer von vermieteten Grundstücken die Grundsteuer auf die Miete umlegen können, sind auch Millionen Mieter von der Gesetzesreform betroffen. Das ist eine der landläufigen Begründungen dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich, zumindest bei der Grundsteuer, ein Niedrigsteuerland ist. Auch die Erbschafts- und Schenkungssteuer ist relativ niedrig, wegen der hohen Freibeträge. Sollte die seit 1997 nicht mehr erhobene Vermögenssteuer wieder erhoben werden, wäre auch hier eine Reform unausweichlich, weil auch diese Steuer noch auf die alten Einheitswerte abstellt. Die Bundesregierung sieht, wie alle vorherigen, bei der Vermögenssteuer jedoch kein Handlungsbedarf, trotz der zunehmenden Schieflage bei der Vermögensverteilung.
Mittels Frage-Antwort-Spiel, zwischen Finanzbehörde und Eigentümer, kommt ein Ergebnis nach Hörensagen zustande.
Grundsatz: ohne Beweis- und Tatsachenerhebung kann der reale Wert einer Immobilie bzw. Grund- und Boden nicht ermittelt werden!
Fragekatalog:
1. Wann und wie wurden Finanzbehörden rechtsverwertbar einem zertifizierten Sachverständigen gleichgestellt?
2. Ist die Beweis- und Tatsachenerhebung durch den Sachverständigen entbehrlich geworden?
3. Kann der Wert einer Immobilie ohne Beweis- und Tatsachenerhebung rechtsverwertbar genau ermittelt werden?
4. Wurde ohne Hinzuziehung des Sachverständigen dem Amtsermittlungsgrundsatz/1 entsprochen?
5. Ist der Notar zur Beurkundung verpflichtet – bei Vorlage des Grundstückwertes von den Finanzbehörden?
/1 Der Amtsermittlungsgrundsatz (auch Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime, Amtsermittlungspflicht, Amtsaufklärungspflicht) besagt, dass ein Gericht oder eine Behörde verpflichtet ist, den Sachverhalt, der einer Entscheidung zugrunde gelegt werden soll, von Amts wegen, d. h. ohne Antrag eines Betroffenen oder unabhängig davon, zu untersuchen.